„Es reicht nicht, das Richtige zu tun, wir müssen auch das Falsche unterlassen“
Mit der Sitzung des zweiten Umweltausschusses am 13. Jänner 2021 im Parlament ist das Klimavolksbegehren (KVB) seiner politischen Umsetzung ein großes Stück nähergekommen. Durch die konstruktiven Beiträge aller Sachverständigen und Vertreter*innen des Klimavolksbegehrens konnten sich die Mitglieder des Ausschusses davon überzeugen, dass umgehend umfangreiche Maßnahmen für den Klimaschutz beschlossen werden müssen. ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS bekennen sich erstmals zu einem nationalen Schulterschluss in der Klimapolitik.
Das R.U.S.Z unterstützt das Klimavolksbegehren mit seinen vier zentralen Forderungen: Das Recht auf Klimaschutz in der Verfassung, Klimaneutralität von Österreich bis 2040, verbindliches und transparentes CO2-Gesetz und eine ökosoziale Steuer- und Abgabenreform.
Es folgt eine ausführliche Zusammenfassung der über dreistündigen Sitzung. Rahmenthemen waren Mobilität, Energie, Förderung des Klimaschutzes sowie die Ökologisierung des Steuersystems. Die Expert*innen sind sich einig: Ein Scheitern in der Klimapolitik können wir uns nicht leisten!
Zahlreiche Expert*innen nehmen im Ausschuss teil. Stefan Weiß-Fanzlau beginnt und spricht sich für eine Mobilitätswende und eine ausgewogene Ökologisierung des Steuersystems aus. Den Verkehr bezeichnet er als „eines der größten Sorgenkinder“, denn die CO2-Emissionen sind seit 1990 um 75% gestiegen und steigen weiter an. Dies ist großteils den fehlenden Alternativen zum Individualverkehr geschuldet. Für die Bevölkerung muss es möglich sein, Teil der Lösung zu werden. Als weiteren Punkt thematisiert Weiß-Fanzlau den notwendigen Umstieg auf erneuerbare Energien und die Erhöhung der Energieeffizienz.
Forderungen des Klimavolksbegehrens
Ausreichend dimensionierte staatliche Investitionen, Anreizsystem sowie Klimagesetze: Dazu braucht es langfristige Strategien über Legislaturperioden hinaus. Dabei sehen die Expert*innen den Abbau klimaschädlicher Subventionen als ersten Schritt für den wichtigen tiefgreifenden Strukturwandel.
Ebenso ist eine ambitionierte CO2-Bepreisung notwendig.
Florian Schlederer: „Es reicht nicht, das Richtige zu tun, wir müssen auch das Falsche unterlassen“. Klimaschäden, klimaschädigende Subventionen oder Importe fossiler Energie kosten jährlich 15 Milliarden Euro in Österreich. Dies muss daher dringend gestoppt und eine ökosoziale Steuerreform eingeführt werden.
Soziale Aspekte in den Vordergrund rücken
Michael Soder von der Wirtschaftsuniversität Wien konstatiert, dass wir von fossilen Energieträgern wegkommen müssen. Das betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche des Arbeitens, Produzierens, Konsumierens. Er weist darauf hin, dass zugleich soziale Aspekte berücksichtigt werden müssen.
„Die Klimafrage ist eine Frage der Gerechtigkeit, über die wir sprechen müssen - gegenüber zukünftigen Generationen sowie im Hier und Jetzt." Ärmere Haushalte belasten das Klima weniger, sind aber von den Folgen stärker betroffen. Die direkte Verteilung von Maßnahmen tritt dort am stärksten zutage, wo Kosten auf Haushalte umgewälzt werden: bei Grundbedürfnissen, Strom, Mobilität, Wärme und Lebensmitteln. Ebenso ist Mitbestimmung und demokratischer Diskurs von entscheidender Bedeutung, um niemanden auf der Strecke zu verlieren. Das Klimavolksbegehren ist ein wichtiger Schritt dazu.
Kreislaufwirtschaft jetzt
Karl Steininger von der Universität Graz plädiert, die Verwendung von Einnahmen klar zu kommunizieren, um die Akzeptanz von Maßnahmen zu erhöhen. Kreislaufwirtschaft und Carbon-Management in Industrie und Gewerbe gilt es umzusetzen. Österreich steht gut da beim Ausbau erneuerbarer Energie, nicht jedoch bei der Energieeffizienz. Auch Steininger rief zur Zusammenarbeit aller Beteiligter auf, „damit wir 2040 sagen können: Österreich ist frei - von Treibhausgasemissionen“.
Angela Köppl vom Wifo erinnert daran, stets ein Gesamtkonzept im Auge zu behalten. Den Rahmen steckt der europäische Green Deal und die geplante Klimaneutralität Österreichs bis 2040 ab. Für den dafür erforderlichen tiefgreifenden Strukturwandel sind „radikal andere Wirtschaftsstrukturen“ eine wichtige Voraussetzung.
Wichtigstes Anliegen für Abgeordnete Julia Herr ist die Verträglichkeit von Klimamaßnahmen für Haushalte mit wenig Einkommen oder Vermögen. Diese werden am härtesten getroffen bei Wohnen, Verkehr und Konsum. Ausschussvorsitzender Lukas Hammer weist auf den Widerspruch hin, dass vieles in der Forschungslage klar ist, politisch aber nicht umgesetzt wird. Außerdem ist Arbeit hochbesteuert, Umweltverschmutzung niedrig, was es zu ändern gilt.
Umweltministerin Leonore Gewessler dankt den Initiator*innen des Klimavolksbegehrens und betonte die Wichtigkeit des Themas. Das Klimavolksbegehren hat nicht nur aufgezeigt, wie groß der Auftrag im Klimaschutz ist, sondern auch wie viel Rückendeckung es dafür aus der Bevölkerung gibt. Viel weitergebracht hat man, so Gewessler, bei der Finanzierung der klimafreundlichen Mobilität. Neben der Förderung für Photovoltaik wurden klimaschädliche Investitionen ausgeschlossen. Beim „Sorgenkind“ Verkehr setzt man auf Investitionen in die Schieneninfrastruktur und ein „ganzheitliches Angebot“ für die Nutzer*innen, warb die Ministerin für eine Mobilitätswende. Zugleich fiel die Entscheidung bewusst gegen eine Autobahn durch das Waldviertel. „Die Klimakrise ist die historische Aufgabe aller, die Politik machen“, so Gewessler.
Aus der Sicht von Wilhelm Bergthaler vom Institut für Umweltrecht an der Johannes-Keppler-Universität braucht es eine Förderung der Innovation bei der Entwicklung von umweltfreundlichen Technologien. Genehmigungsverfahren müssen bei der Infrastruktur beschleunigt werden. Planungskonflikte sollen durch Partizipation von Betroffenen bereits am Beginn von Genehmigungsprozessen stehen. Zudem kann eine Zweckbindung von klimarelevanten Abgaben die Akzeptanz von Maßnahmen erhöhen.
„Wirkungsvoller Klimaschutz nur mit einer wirkungsvollen Energiewende“
Eine große Chance für den Klimaschutz ortet Dietrich Wertz in der CO2-neutralen Sonnenenergie, die technologisch und wirtschaftlich eine gute alternative Energiequelle darstellt. Wichtig ist außerdem, dass neben dem Klimavolksbegehren auch Gesetzgeber, Bürger*innen, Wissenschaft und Wirtschaft an einem Strang ziehen. Als daraus resultierenden Maßnahmen schlägt Wertz eine ökologische Steuerreform vor, die den Faktor Arbeit entlastet und fossil-nukleare Energie belastet.
Harald Frey (Institut für Verkehrswissenschaften, TU Wien) betont, dass das Verkehrsaufkommen durch den motorisierten Individualverkehr reduziert werden muss. Mit dem Umstieg auf alternative Antriebe allein können die Klimaziele nicht erreicht werden. Es darf nicht um ein Entweder-oder bei der Umsetzung von Maßnahmen gehen, sondern um ein Sowohl-als-auch. Die dringendsten Maßnahmen in diesem Bereich sind nach Frey u.a. Tempolimits und die Einführung einer CO2-Steuer.
Für Frey spielt auch die Einbeziehung der Umwelt-, Klima- und Mobilitätspolitik in die Raumplanung eine wichtige Rolle. Insbesondere der Bodenverbrauch wird zu einem wichtigen Thema werden. Hier sind ein Widmungsstopp, Nachweispflicht für Stellplätze oder Entsiegelungsmaßnahmen anzudenken.
Abschließende Bemerkungen von Katharina Rogenhofer
„Das Klimavolksbegehren hat es geschafft, mutige Klimapolitik über alle Parteien hinweg außer Streit zu stellen […]. Wir erwarten uns nun von ÖVP, Grünen, NEOS und SPÖ einen gemeinsamen Antrag, in dem unsere Forderungen konkret und mit Zeitläufen abgebildet sind.“
Rogenhofer fordert die Festschreibung eines CO2-Budgets, einen verbindlichen Reduktionspfad ab 2021 samt prüfender Kontrollinstanz und den Beschluss einer umfassenden Ökologisierung von Steuern und Subventionen.
„Wenn nichts passiert, ändert sich vieles“, mahnte Rogenhofer. 2021 könnte das Jahr sein, in dem wir beginnen, unseren Kindern eine intakte Welt zu hinterlassen. Es ist wichtig, in den Dialog über das Finden von Alternativen in der Mobilität zu treten.
Ziel muss es sein, so viele Menschen wie möglich mit möglichst wenig Ressourcen zu transportieren. Technologische Möglichkeiten allein können das Problem aber nicht lösen.
Maßnahmen müssen sozial ausgeglichen, wirtschaftlich sinnvoll sein und ökologisch wirksam.
Das Volksbegehren hat knapp 400.000 Menschen hinter sich versammelt, die Bürger*innen wollen mitgestalten und nun liegt es an der Politik, einen konkreten Fahrplan hin zur Klimaneutralität zu beschließen.
Im Vorlauf dieser zweiten Sitzung des Umweltausschusses zum KVB bekundeten zahlreiche Organisationen öffentlich ihre Unterstützung für die Forderungen des Klimavolksbegehrens, darunter Arbeiterkammer, Volkshilfe, Diakonie, Ärztekammer, SOS Kinderdorf, Alpenverein, Naturfreunde, RepaNet, Katholische Aktion, Bundesjugendvertretung, Rotes Kreuz, Samariterbund, Umweltdachverband, Greenpeace, WWF und Global 2000.
Die dritte Sitzung des Umweltausschusses findet voraussichtlich im Februar oder März 2021 statt.
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