Frühzeitige Obsoleszenz oder Reparatur des R.U.S.Z? Wir geben noch nicht auf! Ein Kommentar.
Wie Ihr diversen Medien (z.B. FutureZone oder zuletzt den Salzburger Nachrichten) entnehmen könnt, ist die R.U.S.Z GmbH in Wien Penzing in Konkurs. Durchgesickert ist bis jetzt, dass uns das dreimonatige Aussetzen des Reparaturbonus den Rest gegeben hat. Ergänzend zu unserer aktuellen Presseaussendung möchten wir an dieser Stelle die Situation erläutern.
Was ist in den letzten 3 Jahren und in den letzten 3 Monaten passiert?
Nur das dreimonatige Aussetzen der Reparaturbonuszahlungen verantwortlich zu machen, ist zu kurz gefasst, erklärt Gründer und Geschäftsführer Sepp Eisenriegler:
„Nach massiven Umsatzrückgängen während der Corona-Phase freuten wir uns über die Wirkung des Wiener Reparaturbons. Wir wussten bald nicht mehr, wo wir die eingegangenen Reparatur-Geräte unserer Kund*innen lagern sollten. Die länger werdenden Wartezeiten für unsere Kund*innen veranlassten uns, gut ausgewählte Bewerber*innen im Auftrag des AMS zu Reparaturtechnikern auszubilden und zu beschäftigen. Im Reparatur-Techniker*innenbereich gibt es einen eklatanten Facharbeiter*innenmangel. Auch darum wollten wir nach dem Auslaufen des Wiener Reparaturbons niemanden kündigen und nahmen einen weiteren Kredit auf, um durch die immer länger werdende Zeitdauer bis zum Inkrafttreten des bundesweiten Reparaturbonus durchzutauchen. Wir hatten einen Umsatzeinbruch von 70% über 12 Monate.
Das abrupte Aussetzen des bundesweiten Reparaturbonus von 03.07. bis 25.09.2023 hat uns dann tatsächlich in die Insolvenz getrieben und erinnert an ein Déjà-vu:
Wieder waren Reparaturtechniker*innen ausgebildet und beschäftigt worden, nachdem der Reparaturbonus die Auftragsbücher gefüllt und das Geschäft angekurbelt hat. Und wieder (wie nach dem Wiener Reparaturbon) kam ein nicht erwartbarer Umsatzeinbruch, diesmal von 80%. Geiz ist halt geil: Auch Kund*innen, die es sich leisten könnten, warten mit der Beauftragung von Reparaturen, oder holen ihre reparierten Geräte nicht ab, vor Wieder-Inkrafttreten des Reparaturbonus.
Die Reparaturförderungen des Bundes und des Landes sind nur eine Krücke, die das Marktversagen ausgleicht. Der Bonus hat aber gezeigt, dass es eine massive Akzeptanz des Angebots seriöser Reparaturdienstleistungen zu vernünftigen Preisen gibt.”
Es war immer arschknapp
Deshalb wird es den einen oder die andere auch verwundern, dass inmitten eines Reparaturbooms und im Zuge der Transformation hin zur ökosozialen Kreislaufwirtschaft gerade der Pionierbetrieb R.U.S.Z, das größte unabhängige Reparaturunternehmen des Landes, derart in die Krise schlittert. Ebenso vermeintlich verwunderlich wie die Ironie, dass es jetzt ausgerechnet die Reparaturförderung ist, die uns indirekt das ökonomische Genick gebrochen hat.
Vielleicht haben wir in unserer Außendarstellung nicht stark genug betont, wie knapp das R.U.S.Z in den 25 Jahren seines Bestehens – insbesondere seit seiner zwangläufigen Privatisierung im Jahr 2008 – an der Grenze zur Liebhaberei wirtschaften musste und wie bitter notwendig jene Lobbying-Tätigkeiten für die Reparaturförderung und das Recht auf Reparatur gewesen sind, für die das R.U.S.Z über Österreichs Grenzen hinaus bekannt geworden sind.
Ein ökosoziales Geschäftsmodell, das Produktlebensdauerverlängerung und Arbeitsintegration kombiniert, hat mit Profitmacherei wenig am Hut. Es muss sich gerade mal selbst tragen, während es einen ökologischen und sozialen “Mehrwert” produziert, der sich aber nur schwer in Geld materialisieren lässt; zumal in einem ökonomischen System, das auf Ausbeutung von Mensch und Natur quer über den Globus beruht, sich besonders in den letzten 30 Jahren auf immer schnelleren Verbrauch von immer mehr Ressourcen in Form von immer billigeren Wegwerfprodukten spezialisiert (mit denen die Reparaturdienstleistung konkurrieren muss) und immer mehr Menschen vom Wohlstand ausschließt.
Aufrüttelndes Marktversagen
Die Rede ist von unserem wachstumsgetriebenen, linearen, Wirtschaftssystem, dem angesichts der Klimakrise immer plausiblere Abgesänge bereitet werden, an dessen Reformierbarkeit wir aber unverbrüchlich glauben, ja glauben müssen, sonst wären unsere Bemühungen umsonst gewesen, die Bedingungen für das ökonomische Überleben einer gemeinwohlorientierten Unternehmung wie dem R.U.S.Z zu schaffen. Zu diesen Bedingungen gehört ein Reparaturbonus, eine ambitionierte Kreislaufwirtschaftsstrategie, langlebige, reparaturfreundlich konstruierte Elektrogeräte und der Kampf gegen frühzeitige Obsoleszenz ebenso wie die Ausbildung von Reparatur-Fachkräften und eine Öffentlichkeitsarbeit, die über Sinn und Bedeutung von Reparatur und Kreislaufwirtschaft aufklärt.
Wer wie wir von “Marktversagen” spricht, glaubt, dass der Markt, wenn er geregelt wird, auch etwas regeln kann. Dazu braucht es allerdings Kostenwahrheit im Bezug auf die desaströsen Wirkungen unserer imperialen Produktions- und Lebensweise, im globalen Süden, wo die Rohstoffe unter mörderischen Bedingungen und ohne Rücksicht auf Umweltschäden extrahiert werden, ebenso wie in den sog. “Schwellenländern”, wo die Menschen ausgebeutet werden, die unsere Wegwerfprodukte zusammenbauen, und wo auch dasjenige CO2 produziert wird, mit dem man bei uns nichts zu tun haben will. Diese Schäden an der menschlichen und planetaren Substanz sind die externalisierten Kosten, die eingepreist werden müssen, damit sichtbar wird, wie “günstig” Reparieren statt Wegschmeißen bzw. Länger nutzen statt öfter kaufen eigentlich ist. Im Einzelnen wie im Ganzen.
Man kann uns gerne an den Kopf werfen, dass das R.U.S.Z Wien nicht am “Marktversagen” gescheitert ist, sondern daran, am Markt versagt zu haben. Dann teilt das R.U.S.Z Wien das Schicksal jener Gerätschaften, die unrepariert auf dem Müll landen, und ist damit selbst ein Fall frühzeitiger Obsoleszenz geworden.
Matthias Neitsch, Vorsitzender von ReUse Austria:
“Nun wird genau jener vielfach preisgekrönte und ausgezeichnete Pionier Opfer dieses altbekannten Systemfehlers, der seit Jahrzehnten nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit Taten dagegen ankämpft und Reparatur in Österreich erst wieder salonfähig gemacht hat. Zeit für drastische Marktbeschränkungen für kurzlebige irreparable Produkte und für faire Marktbedingungen nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen, dann würde es nicht mal einen Reparaturbonus brauchen und Reparaturbetriebe müssten nicht andauernd am Rande des Ruins wirtschaften.”
Dass die sozialökologische Transformation in aller Munde ist, lenkt leicht von dem Umstand ab, dass noch ein weiter Weg zu gehen und mit Rückschlägen zu rechnen ist. Dieser Fall möge aufrütteln.
… und die Zukunft?
Was es braucht, um eine wirklich nachhaltige, klimarelevante Produktnutzungsdauerverlängerung zu ermöglichen, ist eine sozial verträgliche ökologische Steuerreform, die ihren Namen verdient: Rohstoffe besteuern und Arbeit entlasten.
Das entspricht unserer wirtschaftlichen Sicht der Dinge. Mindestens das und mehr wird nötig sein, um für ein gutes Leben für alle und eine Zukunft auf einem intakten Planeten zu sorgen, was freilich die Triebfeder unserer Arbeit bleibt.
Für uns, die wir uns nachhaltig mit den Göttern der Wegwerfgesellschaft angelegt haben, heißt das, dass wir wie Sisyphos den Stein wieder den Berg hinauf rollen: Geplant ist eine Dezentralisierung unseres Reparaturangebots an neuen Standorten, wo das gros unserer hochspezialisierten Mitarbeiter*innen im Rahmen unseres ökosozialen Franchise-Systems durchstarten wird.
Wir versuchen, das R.U.S.Z zu reparieren, freuen uns über die vielen Zeichen der Solidarität und hoffen weiterhin auf eure Unterstützung!