Reparatur- und Service-Zentrum

Sommer-Interview mit Geschäftsführer Sepp Eisenriegler über den Reparaturbonus, unsere R.U.S.Z-Projekte und den Beitrag der Reparatur zum Klimaschutz

Wie läuft es im R.U.S.Z mit dem Reparaturbonus?

Nach einer fast einjährigen Flaute ist es am 26. April so richtig losgegangen. Wir wurden geflutet mit Reparaturaufträgen. Offensichtlich wirkt der Saturn-Slogan “Geiz ist geil” auch bei unseren reparaturwütigen Kund*innen 😉 Umgekehrt scheint “Hau weg den Dreck” nicht mehr mainstream-tauglich zu sein. Ich bin froh, dass wir den bundesweiten Reparaturbonus, finanziert aus dem European Recovery Fund, haben.

Eine Kolonne Staubsauger wartet frisch repariert auf die glücklichen Besitzer*innen, "MacGyver" Mortesa hat sich ihrer in Windeseile angenommen
Eine Kolonne Staubsauger wartet frisch repariert auf die glücklichen Besitzer*innen, "MacGyver" Mortesa hat sich ihrer in Windeseile angenommen

Allerdings sollten wir bedenken, dass die Reduktion der Reparaturkosten um 50% nur eine Krücke gegen das bestehende Marktversagen darstellt. Es kann doch nicht sein, dass profitorientierte, internationale Konsortien in den Ländern des Südens Rohstoffe ausbeuten, die dann in Schwellenländern unter menschenunwürdigen Bedingungen zu Produkten verarbeitet werden die wir im Norden billig kaufen und nach kurzen Nutzungszyklen wegschmeißen. Manche Abfälle landen dann dort, wo die Rohstoffe herkommen und im Falle von Elektroschrott in Ghana die Gesundheit der dort lebenden Bevölkerung gefährden. Von den ökologischen Auswirkungen einmal ganz abgesehen.

Was wir bis spätestens 2026 wirklich brauchen, ist eine sozialverträgliche, ökologische Steuerreform, die kritische Rohstoffe besteuert und Arbeit entlastet!

Was sind die kommenden Projekte des R.U.S.Z?

Wir haben im Rahmen unserer Suche nach Social-Franchise Partner*innen feststellen müssen, dass sich unser UN SDG Good Practice Repairs4Future aufgrund von Reparaturtechniker*innenmangel nicht so einfach verbreiten lässt, wie wir uns das vorgestellt haben. Jetzt haben wir schon eine, vom AMS finanzierte, gemeinsam mit dem BFI durchgeführte, Qualifizierungsmaßnahme namens “Resetech” erfolgreich abgeschlossen. Dies reicht aber bei weitem nicht. Deshalb gründen wir jetzt die R.U.S.Z-Akademie, die uns und unsere Partner*innen mit gut ausgebildeten Reparaturtechniker*innen versorgen wird. Damit haben wir das perfekte enkeltaugliche Angebot, das alle Dimensionen der Nachhaltigkeit bedient. Zuerst in ganz Österreich, dann in der D-A-CH Region und bald in der ganzen EU. US-amerikanische Medien haben sich auch schon für unser Modell zur ökosozialen Transformation interessiert.

 

Als Dich Thomas Schottenberg in seinem neuen Buch als “Welt-Retter” beschrieben hat, gab es auf Facebook eine kleine Kontroverse, ob man denn mit Reparieren und “Länger nutzen statt öfters kaufen” den Planeten retten kann. Möchtest Du uns dahingehend noch etwas Mut machen?

Es geht nicht darum, den Planeten oder das Klima zu retten. Die kommen beide gut auch ohne uns aus. Das Problem - das haben wir. Es geht darum, die Lebensgrundlagen für die menschliche Spezies zu erhalten! Und das ist schwer genug. Wir kennen das Problem: Die zur Verfügung stehenden Ressourcen reichen für alle, aber nicht für die Gier weniger!

Ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen wäre unsere Kaufsucht, unseren Konsumwahn auf ein verträgliches Maß zu senken: Würden beispielsweise die EU-Privathaushalte allein ihre Waschmaschinen, Staubsauger, Laptops und Smartphones nur ein Jahr länger nutzen, würde das 4 Mio. Tonnen an CO2-Äquivalenten einsparen. Das wäre gleichbedeutend mit 2 Mio. weniger Autos auf Europas Straßen (EEB 2019: Cool Products don´t cost the earth).

Und das werden wir wohl schaffen! Vielleicht auch mehr? Raus aus dem Hamsterrad der materiellen Bedürfnisbefriedigung und rein in ein gutes Leben für alle!

Inzwischen ist es wissenschaftlich abgesichert: Jede erfolgreiche Maßnahme zur Verlängerung der Produktnutzungsdauer ist ein individueller Beitrag zum Klimaschutz. Reparatur ist damit die Königin der Kreislaufwirtschaft!

  • 52,7% der Gesamtumweltbelastung im Leben von Haushaltsgeräten entstehen durch die Produktion und Distribution (Steiner et.al. 2005: Timely Replacement of White Goods)
  • 50% der globalen Kohlenstoff-Emissionen entstehen durch den Abbau und die Weiterverarbeitung natürlicher Ressourcen (UN Environment 2020: Global Resources Outlook 2019)
seppbücherleitbild1-min

Mittlerweile ist klar, dass die Ziele der Kreislaufwirtschaft nur über reparaturfreundlich konstruierte Produkte und deren längere Nutzung durch Wartung und Reparatur erreicht werden können. Deshalb brauchen wir weniger aber dafür langlebige und leicht reparierbare Produkte, die durch jahrzehntelange Nutzung ihren ökologischen Rucksack auf viele Jahre verteilen.

Dazu arbeiten wir im R.U.S.Z seit Jahrzehnten. Unser Mission Statement

“Ein Sozialunternehmen initiiert einen fundamentalen Wandel in der EU-Politik durch die Reparaturdienstleistung NEU und den Marsch durch die (EU-) Institutionen"

ist nicht übertrieben. Jetzt können wir die Früchte unserer Lobbying-Arbeit ernten: Die EU-Ordnungspolitik ist mit der Kreislaufwirtschaft und dem EU Green-Deal auf unsere Forderungen nach Ressourcenschonung eingeschwenkt, die herstellende Industrie hat das zähneknirschend zur Kenntnis genommen. Jetzt liegt es an uns Konsument*innen: Wollen wir weiterhin als Konsumtrottel agieren, oder wollen wir uns den Empfehlungen progressiver Politiker*innen und Wissenschafter*innen anschließen, die die Kreislaufwirtschaft mit Rat und Tat unterstützen? Natürlich wäre auch mir die Postwachstum-Ökonomie lieber, aber noch ist sie politisch nicht anschlussfähig.

Deutsch (Österreich)